Mai 2025
Einleitung
Bei der UEFA EURO 2024 in Deutschland gab es erstmals eine „Human Rights Declaration“ (Menschenrechtserklärung) sowie ab Mai 2024 auch ein Human Rights Board speziell für die Begleitung der Veranstaltung. Diesem Gremium unter der Leitung des UEFA-Generalsekretärs Theodore Theodoridis gehörten neben internationalen auch nationale Expert*innen des Deutschen Instituts für Menschenrechte, der Fachberatung KickIn!, von Reporter ohne Grenzen Deutschland sowie Transparency Deutschland e.V. an. Außerdem hatte die Stakeholder-Initiative EURO 2024 schon seit 2017, d.h. seit der Bewerbung des DFB um die EURO 2024 Forderungen nach Transparenz und Achtung der Menschenrechte aufgestellt.
Der vorliegende Überblick soll den ESG-Bericht der UEFA sowie den vom Centre for Sport and Human Rights erstellten Bericht zum EURO Human Rights Board um die nationale Perspektive ergänzen. Dies ist sowohl im Hinblick auf künftige Großveranstaltungen in Deutschland, insbesondere auch die geplante deutsche Bewerbung um Olympische und Paralympische Sommerspiele, als auch hinsichtlich der Verzahnung der internationalen mit der nationalen Stakeholder-Sicht von Bedeutung.
Positiv hervorzuheben sind folgende Punkte:
- Erstmalig gab es bei einer UEFA EURO eine Menschenrechts-Erklärung und einen Beschwerdemechanismus sowie Rapid Response Systeme in allen Stadien und fast allen Fanzonen.
- Die Veröffentlichung „Polizei und Menschenrechte – Selbstverständnis der Polizeien des Bundes und der Länder“ anlässlich der UEFA EURO 2024.
- Einrichtungen und Services zur Berücksichtigung geschlechtlicher Vielfalt in allen Stadien (genderneutrale Toiletten & Einlässe)
- Digitale Barrierefreiheit der wichtigsten Turnier-Informationsplattformen
- UEFA Campagne „Get Trained, Save Lifes“ zur Verbreitung von Wiederbelebungstechniken in Stadien und Fanzonen
- Höhere Reaktivität des Presseteams der EURO 2024 verglichen mit vorangegangenen EURO- Turnieren
Festgehalten werden muss allerdings, dass der Gesamtprozess zu menschenrechtsbezogenen Maßnahmen sehr spät startete. Daher war es weder möglich, alle Vorarbeiten rechtzeitig abzuschließen (Risikoanalyse gerade auch mit Blick auf die gesamte Lieferkette; „Selbstverständnis Polizei“ erst nach Kick-Off Mitte Juni 2024 beschlossen) noch die Maßnahmen ausreichend mit den Ausrichterstädten und weiteren Akteuren abzusprechen und zu koordinieren (zum Beispiel den Beschwerdemechanismus).
Eine wesentliche Herausforderung lag in der fehlenden Erfahrung von UEFA, DFB und den staatlichen Stellen bei Anwendung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen („UN-Leitprinzipien“) im komplexen Umfeld einer Sportgroßveranstaltung. Die vielfältigen Schnittstellen zu Nachhaltigkeit und Compliance bzw. den Dimensionen Soziales und Governance innerhalb von ESG (Environment – Social – Governance) müssen künftig von Beginn an adressiert und in einen schlüssigen Gesamtansatz gebracht werden.
Künftig sollten in den einzelnen Bereichen folgende Punkte beachtet werden:
Nachhaltigkeit – Menschenrechte – Compliance
- Klare Zuständigkeiten und eine effektive Koordination sowohl innerhalb der einzelnen Institutionen als auch des gesamten Prozesses, insbesondere betreffend UEFA, DFB, EURO GmbH auf der einen und Bundesregierung, Länder, Städte und weitere Beteiligte auf der anderen Seite.
- Frühzeitiger Abschluss der menschenrechtlichen Risikoanalyse mit priorisierten Präventionsmaßnahmen als Ergebnis. Dazu gehört insbesondere auch der Umgang mit Pressevertreter*innen im Hinblick auf Einschränkungen der Informationsfreiheit und der Ausweitung von Überwachungsbefugnissen.
- Transparenz und die Beteiligung von Stakeholdern auch aus der Zivilgesellschaft sind durchgängig zu gewährleisten.
Kommunikation
- Deutlich vereinfachte Auffindbarkeit und regelmäßige aktive Verbreitung von Beschwerde- und Meldewegen über alle verfügbaren Online- Informationskanäle und Veranstaltungskommunikation in den Austragungsorten vor, während und nach der Veranstaltung
- Regelmäßige Pressekonferenzen und Beantwortung auch kritischer Medienanfragen zu gesellschaftlichen und organisatorischen Aspekten des Turniers (z.B. Sponsoring und Menschenrechte)
- Frühzeitige Einbindung und Berücksichtigung der Expertise von Volunteers mit lokalen Fachkenntnissen insbesondere in Stadien vonseiten der Veranstalter
Beschwerdemechanismus
- Beschwerdemechanismus mit barrierefreien Meldewegen, einschließlich zielgruppenorientierter Kommunikation (z.B. Information der akkreditierten Journalisten*innen, marginalisierter Personengruppen, lokale Bevölkerung, aber auch Ticketinhaber*innen und sonstige Presse) mindestens drei Monate vor Beginn der eigentlichen Großveranstaltung
- Schulung des Personals der Meldestelle in barrierefreier und traumasensibler Kommunikation und den Grundlagen von Vielfalt und Inklusion sowie in menschenrechtlichen Fragen (einschließlich Medienrecht)
- Empathische Kommunikation, insbesondere mit Betroffenen von Diskriminierung
- Aufbau einer transparenten und effizienten Kommunikation zum Stand der Fallbearbeitung mit Betroffenen / Meldenden über den Beschwerdemechanismus, einschließlich Möglichkeit zum Widerspruch
Einbindung von Stakeholdern und Kinderrechte
- Die systematische, kontinuierliche Einbindung von internationalen Menschenrechtsorganisationen und Fanvertretern seitens der UEFA bereits bei der Entwicklung der Bewerbungskriterien muss ergänzt werden durch ein entsprechendes Vorgehen der Bewerberorganisation auf nationaler Ebene.
- Internationale Stakeholder sollten sich mit der Situation vor Ort auseinandersetzen, internationale Ziele mit den Notwendigkeiten im Gastland abgleichen und ihr Vorgehen entsprechend einbetten.
- Frühzeitige Beteiligung von Kindern und Jugendlichen entsprechend der UN Kinderrechtskonvention
Volunteers, Ordnungs- und Sicherheitsdienste
- Entwicklung und Umsetzung eines systematisierten Schulungsprogramms (über Briefings hinaus) für alle an der Organisation Beteiligte zu Grundlagen diskriminierungssensiblen Verhaltens, barrierefreier Kommunikation und Mobilitätsassistenz sowie zu Rechten von Pressevertreter*innen
- Konsequente Verfolgung und Sanktion von diskriminierendem Verhalten von Volunteers, Ordnungsdiensten und sonstigen Vertreter*innen von Dienstleistern
- Verhältnismäßigkeit von Sicherheitskontrollen für Journalist*innen und Besucher*innen
- Einsatzplanung besonders für Volunteers gemäß ihren Fähigkeiten (z.B. Volunteers mit Kenntnissen in Deutscher Gebärdensprache in unmittelbarer Nähe zu entsprechenden Zielgruppen)
Maßnahmen für Barrierefreiheit und zum Schutz vor Diskriminierung
Kinder
- Bei Sponsoren, Werbung und den Aktionsangeboten in den Fanzones ist der Kinder- und Jugendschutz zu beachten. Dies gilt insbesondere für exzessive Werbung für Sportwetten unter dem Gesichtspunkt der Suchtgefahr.
- Safeguarding verlangt neben Safe Spaces und leicht zugänglichen, breit kommunizierten Hilfsangeboten umfassende Schulung aller Beteiligten einschließlich Volunteers und Security-Kräfte sowie einen abgestimmten Informationsfluss und Ablaufplan bei gravierenderen Fällen.
Mädchen und Frauen
- Schulungen aller Beteiligten hinsichtlich einer Kultur der Achtsamkeit zur Verhinderung von sexistischem Verhalten.
- Aufrufe auch an Zuschauer*innen, die nötige Distanz zum Beispiel zu Volunteers zu wahren (keine aufgezwungenen Selfies u.ä.)
- Mehr Aktionsangebote in den Fanzones gezielt für Mädchen und Frauen
Menschen mit Behinderung und Mobilitätseinschränkungen
- Sicherstellung eines gleichberechtigten Zugangs ohne Erschwernisse zu Ticket-Portalen für Menschen mit Behinderungen
- Einhaltung qualitativer Mindeststandards und ausreichender Kapazitäten für Sitzplätze in Veranstaltungsorten für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und im Rollstuhl – Zugänge ohne besondere Erschwernisse und ausreichende Sichtachsen müssen gegeben sein.
- Bereitstellung von barrierefreien Parkplatzkapazitäten in unmittelbarer Nähe der Veranstaltungsorte, insbesondere der Stadien – sollte dies nicht möglich sein, sollten umfassende barrierefreie Shuttle- Services angeboten werden, um barrierefreien Zugang sicher zu stellen.
- Sicherung eines gleichberechtigten und unlimitierten Zugangs für alle Besucher*innen mit Behinderungen zu barrierefreien Toiletten in Veranstaltungsorten während der Öffnungszeiten – sollte ein Euroschlüssel hierfür benötigt werden, ist beispielsweise durch Servicepersonal zu gewährleisten, dass Menschen mit entsprechendem Bedarf ohne Erschwernisse jederzeit Zugang zu Sanitäreinrichtungen erhalten können wie nicht-behinderte Besucher*innen auch.
Sponsoren
- Aufnahme des Themas Sponsoring in die Risikoanalyse und in das Mandat des Menschenrechtsbeirats.
- Festlegung klarer Sorgfaltskriterien für Sponsoren sowie Abhilfemaßnahmen hinsichtlich Sponsoren, die in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind.
Vorgelegt von den Mitgliedern des UEFA EURO 2024 Menschenrechtsbeirates:
Lisa Kretschmer – Head of Advocay, RSF Reporter ohne Grenzen
Sylvia Schenk – Leiterin Arbeitsgruppe Sport, Transparency International Deutschland e.V.
Michael Windfuhr – Stellvertretender Direktor, Deutsches Institut für Menschenrechte
Daniela Wurbs – Projektleitung von KickIn! Beratungsstelle für Diversität und Inklusion im Fußball
Unter folgendem Link kann der Bericht als PDF-Dokument heruntergeladen werden: Bericht UEFA-Euro 2024